An jedem dritten Tag stirbt in Deutschland eine Frau.
Dieser Satz wird kaum etwas auslösen, sicherlich keine Bewegung, die das zu verhindern oder dem etwas entgegenzusetzen sucht. Der Umstand selbst wäre keine Meldung wert: zum Leben gehört der Tod.
Im Kontext von Femiziden ist die obige Formulierung repräsentativ für das von den meisten Leitmedien gewählte Framing. Dabei ist es nicht nur falsch: Es ist verherrend. Es leitet in die Irre denn verklärt die Realitäten, leugnet die Sachverhalte und verhindert dadurch alles, das den status quo verändern also Frauenleben retten, zumindest schützen könnte. Denn Femizide sind weder ein Naturgesetz oder -recht, noch im Einklang mit der basalen Logik: Menschen sterben, und da Frauen Menschen sind, sterben auch wir. Bei Femiziden gilt der Satz: Frauen sterben nicht; Männer töten uns.
So lautet die korrekte Formulierung also:
Jeden Tag versucht mindestens ein Mann in Deutschland, die Ex- oder Noch-Partnerin umzubringen.
Oder:
Jeden Monat versuchen an die 30 Männer, ihre jeweilige Ex oder aktuelle Partnerin umzubringen.
Jeden 3. Tag tötet in Deutschland ein Mann eine Frau, mit der er verpartnert ist oder war.
Oder:
Jeden Monat töten an die 10 Männer die aktuelle oder Expartnerin.
Die Gewalt, die dem in jedem einzelnen Fall vorausging, ist hier nicht einmal angedeutet.
Frauen sterben nicht; Männer töten uns. Ginge es nach ihnen: jeden Tag. Auch heute.
Ich könnte fragen, wo der Aufschrei oder die sichtbare Solidarität der Männer ist. Denn wenn sie Menschen sind, dann sind sie zu Empathie und solidarischem Handeln befähigte Wesen. Demos gegen Rechts bestätigen das: Männer überall, wohin mensch blickt. Im Kontext von Rassismus scheint vielen klar, dass nicht BIPoCs das Problem sind sondern Rassismus und diskriminierende Strukturen geschaffen von Menschen ihrer und meiner Hautfarbe: weiße. Wieso also ist weißen Typen anti-rassistische Haltung möglich, doch die anti-sexistische kaum bis nicht? Wie viel hat das Framing des Themas Frauenhass und sexuelle Diskriminierung als „Frauenthema“ mit der Verlagerung der Verantwortung dafür auf die Opfer, statt auf die Täter damit zu tun? Wie sehr ahnt und schwant dem Manne der Machtverlust, der mit einer tatsächlichen Verschiebung der Verhältnisse einherginge?
Wie Eva Reisinger festhält, reicht es bei weitem nicht wenn manche Männer nun ihr Bedauern bekunden. So fühlt sich mancher vielleicht kurz betroffen vom Umstand, doch alle bleiben zuverlässig aus jeder Verantwortung entlassen. „Da kann Mann nichts tun.“ Frauen sterben halt. Und Mann schaut zu. Still.
Auch wenn Männer wie von der Autorin dargestellt selbst leiden und sterben an und aufgrund von stereotypen Rollenmustern, so tun sie das wegen sich oder anderen Männern. Männlichkeit wird vor allem vor- und füreinander produziert, insbesondere über die Abwertung von Frauen und unserer Körper. Ein Mann ist ein Mann, wenn ein anderer Mann das sagt. Ein eklatanter, essentieller Unterschied: Das männliche Leiden ist selbstgemacht und könnte somit beendet werden – von Männern. Den Verursachern. Es ist an ihnen, sich von patriarchalen Formeln zu befreien und sich der erlernten Muster zu entledigen. Sie tun es aber nicht oder in derart geringer Anzahl, dass Frauen als Kollateralschäden toxischer Männlichkeiten weiter den höchsten Preis dafür zahlen. Uns kostet es im schlimmsten Fall sogar das Leben.
Doch ist der männliche Leidensdruck offenkundig noch nicht groß genug, denn sonst würde Mann sich auf den Weg machen. Der Profit aus der patriarchalen Dividende und allem, was Männerbünde bereithalten, ist noch größer als der Wunsch, sich von eigener Misogynie zu befreien. Mann möchte nicht.
Frauen sterben nicht. Männer töten uns. Wer das nicht verurteilt qua Haltung, die in Handlung übergeht, wer sich dem nicht widerständig entgegenstellt und dabei bei sich beginnt, ist und bleibt Teil des Problems.
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