Männer wollen gerne Helden sein. Sich gebraucht, wichtig fühlen; groß. Je kleiner und schwächer das Gegenüber, desto besser. Denn desto leichter findet er seine Bestätigung.

Männer wollen retten. Gerne die Welt, noch lieber: Frauen. Immer eine Belohnung dafür erwartend. Winken weder Krone noch Thron, hat er zumindest als Held bewundert zu werden. Damit das Spiel gelingen kann, müssen zwei Dinge erfüllt sein: 1. Es braucht eine damsel in distress. Ohne Weib, das schwach und verloren ist, kein starker Mann. Genauso essentiell: der Gegner aka der Schwarze Ritter, von dem die damsel zu retten ist und der, einmal erfolgreich zur Projektionsfläche gemacht, zu allem wird, dass der andere nicht sein will. Durch diese Verschiebung und Veräußerung aller negativen Eigenschaft auf den Anderen macht sich der erste selbst: zum weißen Prinzen. Behauptet und legitimiert sich so als „der Gute“ im Spiel.
Die Zuschreibung der Farben ist kein Zufall, die psychologischen Dynamiken alt; beides bildet Grundlage und Rahmen für Rassismus. Deshalb fruchtet er so gut dort, wo kaum BIPoCs leben. Projektionen scheitern zwangsläufig an Realitäten – wenn man sie denn anerkennt. „Wer hat Angst vorm schwarzen Mann“ hat noch jede Rechte übersetzt mit „Habt gefälligst Angst vorm Schwarzen Mann.“ Widerspricht insbesondere weiße frau diesem Narrativ, sind Androhungen von exzessiver Gewalt durch weiße Männer mittlerweile Standard.
Männer wollen Retter spielen. Also darf frau keinesfalls Wonder Woman, d. h. Autonom, mutig, stark sein. Denn dann kann sie sich selbst retten, was die Erfüllung seines identitätsstiftenden Saviour Komplex sabotiert. Seine vermeintliche Stärke existiert nur dann, wenn sie sich schwach, auf ihn angewiesen, von ihm abhängig stellt. Eine „starke Frau“ ist jede, die sich für niemanden klein macht sondern ohne Rücksicht auf männliche Bedürfnisse, Ansprüche und vor allem Bestätigung auf sich, ihre eigenen Stärken und Ressourcen setzt und über ihr Leben selbst bestimmt. Innerhalb des patriarchalen Systems und seiner Logik: Todsünde. Denn so beraubt sie ihn seiner Vormachtstellung. Mehr noch, sie schafft die Notwendigkeit seiner Existenz, damit quasi ihn, ab. Wird zum Erzfeind. Und das halte ich für den Grund des tosenden Schweigens der meisten Männer als Antwort auf tägliche Femizidversuche in diesem Land. Deshalb sind die meisten abwesend bei Lesungen und Panels die der Frage nachgehen, wie männliche Gewalt gegen Frauen endlich beendet werden kann. Es interessiert sie nicht. Mehr noch: Es ängstigt sie, vielleicht ahnen sie gar ihren Machtverlust, der damit einhergeht. Das ist der Kern ihrer Krise. Sie wissen nicht, wer sie sind, sobald Frauen den ihnen vorgeschriebenen Pfad verlassen. Für diese, ihre Verunsicherung lassen sie Frauen bluten.
Männer wollen retten, am liebsten Frauen. Im Zweifel auf Kosten von Frauen. Ich wuchs auf mit einer Polizei die dazu anriet, sich bei Überfällen nicht zu wehren: um den Angreifer im Zweifel nicht noch brutaler zu machen, solle sie alles über sich ergehen lassen, bis Vater Staat in Form seiner Exekutive ihr zu Hilfe kommt. Ich empfand diese Forderung und Logik als unbegreifliche zusätzliche psychische Gewalt: Ich soll mich nicht wehren? Während selbstverständlich galt: hat sie sich nicht gewehrt, hat sie es gewollt. So schmerzlich unsäglich die Forderung, so erhellend ist sie doch. Das Spiel „Männer und ihr Ego“ gewinnt keine Frau. Wir waren nie am Regelwerk beteiligt, was all die eingeflochtenen Double-binds bezeugen: Kleide ich mich nicht nach hetero-sexistischen Vorgaben, werde ich zurechtweisend kommentiert; tu ich es, ist jede Belästigung und mehr meine Schuld. Lächle ich, hab ich drum gebeten, lächle ich nicht, hagelt es ebenfalls Sprüche bis Beleidigungen. All das ist Teil von „all men“: Alle profitieren von der Angst, die Frauen in Schach hält, begrenzt und beschneidet. Diese Angst existiert seit Generationen von Frauen durch die Erfahrung, Männergewalt erst aushalten, dann noch für Männergewalt die Verantwortung und Schuld tragen zu sollen.
Der gegenderte Körper als Kapital ist höchst politisch und extrem mächtig. Das Narrativ von ihr als unvollständigem Lochwesen und ihm als Abbild göttlicher Geniestreiche macht seinen wertvoller. Wie könnte sie wagen, dem zu widersprechen? Verweigert sie sich doch, wird sie vogelfrei und darf sich nicht wundern, wird er brutal. Selbst als Schwangere ist sie max. so viel wert wie der Zellhaufen in ihr; meist weniger. Andernfalls wären Abtreibungen straf- und kostenfrei als selbstverständlicher Teil von Gesundheitsversorgung; gäbe es keine Traumata verursacht durch medizinisches Personal rund um Geburten; würde sich kein Staat erlauben, sich in Fragen meines Uterus einzumischen und ihn gar zu reglementieren. Auch deshalb und aus Erfahrung – an die, die schwanger werden können: fragt (potenzielle) Erzeuger danach, wen sie im schlimmsten aller Fälle dem danach fragenden Personal als „zu retten“ nennen: Euch oder „das Kind“. Und bitte nehmt die Antwort ernst! Ich habe selbst zu oft erst durch diese Frage bzw die Antwort darauf erfahren, mit wem ich mir Tisch und Bett teile – – – teilte.
Männer wollen retten. Dafür sind sie bereit, zu zerstören. Denn nur dann wird ein Mann ein ganzer Kerl. Zumindest im Patriarchat. Partnerschaft wird verunmöglicht, denn was ein Held braucht, sind Opfer. Keine Nähe, Verletzlichkeit, offener Umgang mit Schwächen und Ängsten. So lenkt er sich ab von der Erkenntnis, dass er selbst ein Opfer des Systems ist. Dass er sich selbst endlich retten muss. Um metaphorisch und historisch zu werden: Wie Hegel im „unglücklichen Bewusstsein“ herausgearbeitet hat, ist am Ende der „Herr vom Knecht abhängiger, als der Knecht vom Herrn“. Denn was ist ein Herr ohne Knecht? Nichts. Nicht einmal lebensfähig. Doch was ist der Knecht ohne Herrn: frei, sich auf den Weg zu sich zu machen und die Welt zu erobern. Was kann es Erfüllenderes geben?